"Wir werden
verzichten
müssen."
Ulrike Herrmann über DAS ENDE DES KAPITALISMUS
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Ulrike Herrmann in der Buchhandlung BiBaBuZe, Düsseldorf | Foto © Ansgar Skoda
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Wir treffen Ulrike Herrmann zufällig bereits an der Haltestelle Bilk und gehen mit ihr zusammen zur nahe gelegenen Düsseldorfer Buchhandlung BiBaBuZe. Sie erzählt, dass sie die Buchhandlung sehr möge und hier bereits öfter gelesen habe. Im Eingangsbereich der gemütlichen, kleinen Buchhandlung können wir ausgewählte Weine verköstigen.
Gabriela Schmitt und Pagonis Pagonakis moderierten den anregungsreichen Abend am 30. Januar, der in Kooperation mit Arbeit & Leben NRW veranstaltet wurde. Eingangs erzählen die Moderatoren, dass Herrmann eine Ausbildung zur Bankkauffrau absolvierte und zuletzt 2019 den Otto-Brenner-Preis erhielt und hier u.a. für ihr Gespür für Sozialstaatlichkeit geehrt wurde. Als Pagonakis ihren politischen Werdegang aufzeigt, weist Herrmann darauf hin, dass sie bis 1989 in der CDU gewesen sei. Den Großteil des Abends bestreitet Herrmann nun mit einem Vortrag gesammelter Thesen aus Das Ende des Kapitalismus (2022):
Sie sei keine Kritikerin des Kapitalismus, da er das einzige dynamische Sozialsystem sei und es vorher nur stagnierte Agrargesellschaften gab, so die Wirtschaftskorrespondentin der TAZ. Kapitalismus sei ein schwammiger Begriff, den sie selbst mit Industrialisierung verbinde. Demnach sei er im 18. Jahrhundert zunächst in England entstanden und als Wirtschaftssystem erst im 19. Jahrhundert erkannt und beschrieben worden. Die Gesellschaft profitiere vom Kapitalismus durch einen wachsenden Wohlstand, wofür aber ein stetiges Wirtschaftswachstum nötig sei. Während es – verbunden mit der großen Kindersterblichkeit - im 18. Jahrhundert nur eine Lebenserwartung von 35 Jahren gab, habe sich diese bis heute mindestens verdoppelt, meint die heute 60-Jährige. In einer endlichen Welt gebe es jedoch kein unendliches Wachstum, dies gebe es nur bei einer Krebszelle, so Herrmann. Die Systemkrise des Kapitalismus sei das Klima. Es geht der Historikerin um die Kipppunkte der Umwelt, das Ruinieren der Meere und um eine Konsumreduktion. Herrmann erklärt, dass sie aufgrund der Kürze der Lesung das große Thema Rohstoffgrenze – etwa Bausand oder Humusböden betreffend – ausklammern werde.
Wachstum erzeugt Überschuss, weiß Herrmann. Mit Verweis auf eine Studie des Umweltbundesamtes erklärt sie, dass von durchschnittlich 10.000 Haushaltsgegenstände nur etwa die Hälfte tatsächlich benutzt würden. Es brauche jedoch das Konsumieren, um das System Kapitalismus zu stabilisieren und um Arbeitsplätze zu sichern. Corona sei beispielhaft für die Wirtschaftsgeschichte gewesen. Als der Konsum und die Produktion einbrachen, wurden Billionen von Dollar in die Wirtschaft gepumpt. Herrmann zufolge war das richtig, um einem freien Fall vorzubeugen.
Die Theorie vom Grünen Wachstum, wofür auch der Green New Deal und alle Parteien auf EU-Ebene stünden, sei illusorisch und werde nicht reichen, so eine Kernthese von Herrmann. Eine technische Lösung mit dem E-Auto als Symbol, Solarpanelen und Windrädern sei ungenügend, das rechnet Herrmann anhand von Zahlen zur Solar- und Windenergie, zum allgemeinen Strom- und Energieverbrauch vor. Hier seien wir noch ganz am Anfang der Energiewende.
Insbesondere Zwischenspeicher wie Batterien hält Herrmann für alternativlos. Ökoenergie sei knapp und Importe würden das Problem nicht lösen. Strom aus der Sahara etwa müsste, um hierher zu kommen, umgewandelt werden. Der Einsatz der Technik erfordere wiederum Energie und hier wurden bisher fossile Energien genutzt.
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Ulrike Herrmanns Zukunftsvision zur Bewältigung der Klimakrise
Eine weitere Kernthese, die Herrmann mit Nachdruck vertritt, ist jene vom Grünen Schrumpfen. Hierfür gebe es keine Modelle. Deswegen modelliert sie als Historikerin kurzerhand selbst: Die Wirtschaftsleistung müsste hierzulande halbiert werden, auf ein Ausmaß wie in Westdeutschland 1978.
Gleichzeitig sieht Herrmann die britische Kriegswirtschaft ab 1939 zur Zeit des Zweiten Weltkrieges als Vorbild, da hier ein Rationieren und Schrumpfen der zivilen Wirtschaft in eine demokratische private Planwirtschaft mit dem Erreichen vorgegebener Produktionsziele vorgesehen war.
Da es nicht genug Ökoenergie gebe, werden langfristig private Autos verschwinden müssen und man wird nicht mehr fliegen dürfen, da Flugreisen enorm energieintensiv sind, meint die Autorin. Die Chemieindustrie müsse sich halbieren, aber auch die Automobil- und Flugbranche oder die Banken würden ihre Geschäftsgrundlage verlieren. Bali und Benz würden demgemäß wegfallen. Es wird eine gigantisches Strukturprogramm für den Umbau geben müssen, etwa Konzepte für die Aufforstung des deutschen Waldes, was wieder neue Arbeitsplätze schaffe.
Wasser wird als erstes Gut rationiert werden über ein Zuteilung physischer Mengen, prognostiziert Herrmann. Die Staatliche Planung mit der Rationierung, um wichtige Kippmomente zu vermeiden, sieht bereits heute eine Nationale Wasserstrategie vor, erklärt sie. Für eine Lebensmittelknappheit sprechen auch Höhenwinde, die weltweite Getreideausfälle verursachen könnten, so die Autorin.
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Nach dem Vortrag beantwortet Herrmann Fragen des Moderatorenduos und aus dem Publikum. Wie man die Notwendigkeit für ein Grünes Schrumpfen vermitteln könne, hätten bereits befreundete Korrektoren und Erstleser gefragt, lacht sie. Eine Überlebenswirtschaft könne man vielleicht in Analogie zu den Ukrainern sehen, für deren Überleben auch die Wirtschaft umgestellt werden musste. Die Lage sei dramatisch, betont die Bestseller-Autorin, vielleicht aber nicht so bedrohlich wie ein Krieg.
Die Beschleunigung von Waldsterben und Dürren sei sehr wahrscheinlich. Es gebe trotzdem keine Mehrheiten für ihr Narrativ des Schrumpfens, und darüber hinaus sei Klimaschutz natürlich eine globale Aufgabe. Auf Fragen aus dem Publikum, wie sich ihre Vision umsetzen ließe, erklärt Herrmann, sie selbst biete nur eine Analyse und sei nicht auf der Suche nach Mehrheiten. Die Politiker reagierten nicht, weil Parteien versprechen, was Wähler hören wollen. Es gebe keine Verzichts-Partei.
Herrmann ist sich sicher, dass die Atomwirtschaft ausgedient hat, da auch die Uranvorkommen begrenzt sind. Eine Alternative zu dem Gesund-Schrumpfen biete nur das rückschrittliche Raubrittertum mit sogenannten War Lords, unkt Herrmann. Eine Verteilungsgerechtigkeit sollte jedoch demokratisch angestrebt werden.
Nach dem Gespräch signiert die Autorin viele ihrer Bücher mit persönlichen Widmungen. Interessierte Besucher der lange im Vorfeld ausverkauften Veranstaltung nutzten die Gelegenheit, mit der Journalistin ins Gespräch zu kommen.
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Ansgar Skoda - 2. Februar 2024 ID 14585
KiWi-Link zum Ende des Kapitalismus
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