Der lange
Weg zum
Selbst
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Bewertung:
Im Outback von Australien sitzt eine junge Frau mit ihren Mal-Utensilien vor einer leeren Leinwand und hat einen wunderbaren Blick auf die spektakulären MacDonell Ranges. Sie weiß, dass sie eine Künstlerin ist, wurde aber in England auf der Kunstakademie so verunsichert, dass sie eine Malblockade bekam. Sie hofft, dass sie hier in der Ungezwungenheit der gewaltigen Landschaft wieder malen kann.
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Ein Foto, ein Name und ein Hinweis: Nachdem ihre Schwester Star die Spurensuche nach ihrer Herkunft erfolgreich beendet hat, liegt es nun an CeCe d'Aplièse, sich ihrer Vorgeschichte zu stellen, die sie nach Australien führen wird. Wie ihre fünf Schwestern wurde CeCe von dem mysteriösen Pa Salt als Baby adoptiert und wuchs wohlhabend am Genfer See auf. Auch ihr macht der plötzliche Tod ihres Ziehvaters zu schaffen, und sie fühlt sich wie aus dem Nest gestoßen. Bei CeCe kommt erschwerend hinzu, dass die innige Beziehung zerbrochen scheint, die die beiden mittleren Mädchen, Star und sie, bisher genossen. Diese stellt sich als gegenseitige Abhängigkeit heraus, und weil die introvertierte Star ihre Reise bereits hinter sich hat und nun glücklich in einer Beziehung lebt, zerbröselt die sonst so selbstbewusst erscheinende CeCe zusehends.
Trotz Flugangst macht sie sich nach langem Zögern und mit Unterbrechungen von London aus auf den Weg nach Broome, das an der Nordküste Westaustraliens liegt. Sie ist sehr verwirrt, als sie merkt, dass die Aborigines sie für eine von ihnen halten. Dabei hat ihre etwas dunklere Hautfarbe bislang keine Rolle gespielt. Es beginnt eine unerwartete und tiefgreifende Initiation, die eine mitunter schmerzliche, aber am Ende sehr befreiende Erfahrung wird. Aber wie ist es dazu gekommen, dass sich ein Aborigine in ihre Verwandtschaft gemischt hat, was einige Generationen zurück liegen muss? Um das zu verstehen, hat CeCe den Namen Kitty Mercer als Anhaltspunkt bekommen, und die war in Perlenfischerort Broome eine Berühmtheit.
Wie in den ersten drei Bänden über die sieben Schwestern verbindet die irische Autorin Lucinda Riley in dem vierten Band Die Perlenschwester die Gegenwart mit der Vergangenheit. Kitty lebt um 1900 im schottischen Edinburgh als älteste Tochter eines Pfarrers. Obwohl der in seinen Predigten ständig vor der Fleischeslust warnt, ist er selber ein Schürzenjäger, und die fast erwachsene Kitty bekommt mit, dass er eine Frau geschwängert hat. Ein guter Grund für ihn Kitty los zu werden, und als eine reiche Frau aus der Gemeinde nach einer Gesellschafterin für eine Reise nach Australien sucht, ist es ein willkommene Gelegenheit. Auch Kitty will dem Mief der Alten Welt und der Verlogenheit des Vaters entkommen und lässt sich beherzt auf die Reise ein.
In Australien begeht sie einen Fehler. Es werben Zwillingsbrüder um sie. Drummond ist ein Abenteurer und nur der zweite Sohn, aber ihn liebt sie. Geheiratet hat sie aber Andrew, den Erstgeborenen und Haupterben, in der Hoffnung, dass die Liebe schon noch kommen würde. Das stellt sich als tragischer Irrtum heraus. 1907 lebt Kitty mit ihrem Mann Andrew Mercer in Broome, der dort das florierende Perlenfischergeschäft seines Vaters übernommen hat. Zu einem ersten ernsten Streit kommt es, als Kitty eine schwangere Aborigine aus der Gosse aufliest, die von ihrer weißen Herrschaft verstoßen worden war. Da Kitty mittlerweile selber in anderen Umständen ist, fühlt sie mit der jungen Frau mit und quartiert Camira in einer Hütte bei ihrem Haus ein. Für Andrew sind die Aborigines eine minderwertige Rasse, aber Kitty versucht, nach echten christlichen Prinzipien zu leben. Camira kommt mit einer Tochter mit hellerer Haut und sehr seltsam erscheinenden Augen nieder. Ihr Vater muss einer der japanischen Taucher gewesen sein, die in Broome ihr Glück suchten. Da Mischlingskinder ihren Müttern weggenommen und in ein Heim gesteckt werden, lässt sich Kitty einiges einfallen, um das zu verhindern. Und so wachsen die kleine „Cat“ und Kittys Sohn Charlie gemeinsam auf.
Am Ende findet CeCe nicht nur einen Verwandten, sondern auch zu sich selbst und zu ihrem künstlerischen Ausdruck.
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Als Irin wurde Lucinda Riley die Fabulierkunst vermutlich in die Wiege gelegt. Sie versteht es auf magische Weise ihre Charaktere zum Leben zu erwecken. Das Projekt von sieben Büchern nach dem Sieben Schwestern genannten Siebengestirn der Plejaden ist herausfordernd. Ähnlich wie J. K. Rowling mit ihren Harry Potter-Romanen muss Riley das Gesamtkonzept im Auge behalten und immer wieder Rückbezüge einarbeiten. Das gelingt ihr meisterhaft. So kann jedes Buch auch für sich allein stehen, doch sind die so wunderbar zu lesen, dass sich eine Fangemeinde gebildet hat, die schon sehnsüchtig auf Band fünf wartet. Mehrteiler sind auch gut zu vermarkten, wenn sich das erste Buch etabliert hat, und Riley hatte sich schon vor 2014 einen Namen erworben, als sie mit ersten Buch Die sieben Schwestern über Maia begann. Ein Spannungsbogen, der über Jahre geht, ist der Fakt, dass die Plejaden, nach denen die Schwestern benannt sind, aus sieben Schwestern bestehen, die Mädchen aber nur sechs sind. Also müssen wir noch ein paar Jahre warten, bis sich das Rätsel lösen wird. Auch wissen die Frauen nicht viel über Pa Salt und mal schauen, was Riley da noch für Ideen hat.
Nach intensiven Recherchen lässt sie vergangene Zeiten, Orte und Landschaften auferstehen und hat ein auffallend gutes Händchen dafür ihre Figuren so zu gestalten, dass der Leser an ihnen Anteil nimmt. Sie wechselt immer zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und her, und da ist es wichtig, dass die Leser gleichen Anteil an den jeweiligen Charakteren nehmen. Das gelingt ihr ausnehmend gut.
In Die Perlenschwester geht es auch darum, was man alles aus Liebe tut, oder worauf man aus Liebe verzichtet. Damit fügt man sich mitunter selbst Leid zu, aber bei Riley ist da immer eine wohlwollende Kraft, die die Dinge am Ende wieder zusammenführt.
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Helga Fitzner - 7. März 2018 (2) ID 10574
Link zum Buch: https://www.randomhouse.de/Buch/Die-Perlenschwester/Lucinda-Riley/Goldmann/e507459.rhd
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