Plädoyer für den Schweinefuß
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Bewertung:
Wenn in einem (Koch)buch Schweine- und sogar Hühnerfüße als Suppenbestandteile empfohlen werden, so ist dies in der heutigen Zeit ausgesprochen mutig. Der Verzehr von Fleisch, insbesondere der von Schweinefleisch, soll nach Empfehlung der meisten deutschen Ernährungsexperten zugunsten von Obst und Gemüse stark eingeschränkt werden. Kellyann Petrucci tut nun das Gegenteil. Ihre Knochenbrühen basieren auf Rinder-, Schweine- und Hühnerknochen sowie Karkassen von Weißfischen, ihre flankierende Reduktionsdiät aus den entsprechenden Fleisch und Fischsorten sowie auf Eiern, die bei uns ja wegen der Cholesterindebatte von Experten auch nur noch beschränkt empfohlen werden. Einzig bei der Lowcarb Empfehlung folgt die Autorin dem aktuellen Trend sprich: Statt fettarmer und kohlenhydratreicher Ernährung, wie es um den Jahrtausendwechsel angesagt war, ist heute eine kohlenhydratarme Diät angesagt sprich: Wer Fette ohne jegliche Art von Kohlenhydraten zu sich nimmt, verliert sogar an Gewicht – und darum soll es in diesem Buch ja u.a. gehen.
"Knochenbrühe ist seit Jahrhunderten eine bekannte Wunderwaffe. Sie enthält reichlich Fett verbrennende Nährstoffe, haustraffendes Kollagen und wirkt außerdem entzündungshemmend. Das Ergebnis: weniger Gewicht, straffere Haut, mehr Wohlbefinden. Und das in kurzer Zeit." (Buchrückseite)
Die wenigsten von uns haben wahrscheinlich jemals eine Knochenbrühe zubereitet. Fleisch wird zunehmend ohne Knochen verkauft, und das T-Bone-Steak hat durch die BSE-Krise an Popularität verloren. Knochen, so sie denn tatsächlich auf unseren Tellern landen, gelten als Abfall.
Das war in der Vergangenheit längst nicht so, denn Knochen, Knorpel und Schwarten wurden ausgekocht, zu schmackhaften Brühen verarbeitet, die eine Menge wertvoller Inhaltsstoffe, wie Kollagene, Gelatine etc. enthalten. Knochen und Gelenkerkrankungen werden heutzutage mit einem Mangel dieser Substanzen in Verbindung gebracht, und diese werden sogar als Nahrungsergänzungsmittel angeboten.
Kellyann Petrucci, Ärztin für Naturheilverfahren, empfiehlt uns Knochenbrühen und zeigt uns mit neun verschiedenen Rezepten, wie man sie kocht. Dabei kann die Kochzeit sogar 12 bis 24 Stunden betragen, sicher eine ungewohnte Erfahrung, den Topf über Nacht vor sich hin köcheln zu lassen. Und es sind nicht nur die uns eher bekannten Markknochen, die hier als Bestandteile empfohlen werden, sondern die Favoriten sind Schweine- und Hühnerfüße.
"Wählen sie Knochen mit viel Knorpelgewebe, weil das Kollagen in den Knorpeln bei langsamer Erwärmung zu Gelatine wird, einem Nährstoff dem eine starke Heilkraft und Anti-Aging-Eigenschaften zugeschrieben werden. (…) Ein Kalbs- oder Rinderfuß enthält viel Mark. Auch Nackenknochen, die in der Fleischauslage häufig beim Rindfleisch zu finden sind, eignen sich hervorragend. Ein Schweinefuß, der besonders viel Mark enthält, kann man zu jeder Brühe hinzugeben, ohne den Geschmack zu beeinträchtigen." (S. 77)
Die fertige Brühe kann im Kühlschrank bis zu fünf Tage aufbewahrt werden und sollte gekühlt eine stark gallertartige Konsistenz zeigen. Und als Anreiz zu diesem etwas gewöhnungsbedürftigen Lebensmittel liefert uns die Ernährungsberaterin einen Drei-Wochen-Plan zur Gewichtsreduktion.
"Teil der Knochenbrühe-Diät sind zwei Kurzfastentage mit Knochenbrühe pro Woche. An den restlichen fünf Tagen werden sie täglich drei vollständige Mahlzeiten und zwei Knochenbrühe-Zwischenmahlzeiten zu sich nehmen." (S. 17)
Und die Autorin verspricht uns, dass dabei kein Hungergefühl aufkommen wird, denn die Brühen sättigen, und die Rezepte, die für die anderen Tage bindend sind, sollten den Hunger ebenfalls stillen.
Ein Kompliment an dieser Stelle an die Fotografen, die es verstehen optisch nicht immer ansprechende Lebensmittel wie Knochen, Schweinefüße etc. trotzdem appetitlich in Szene zu setzten.
Problematisch ist hingegen in einigen Fällen die „eins zu eins“ Übersetzung aus dem Amerikanischen. Die Begriffe geröstetes Gemüse oder geröstetes Fleisch gibt es in der hiesigen Küche eigentlich nicht, zugute darf man dem Buch halten, dass der Begriff zumindest erklärt wird. Es handelt sich beim Rösten um das trockene Garen von Lebensmitteln sprich: Grillen oder das Backen von Gemüse, Knochen etc. bei trockener Hitze bzw. durch die Verwendung der Mikrowelle.
Ghee, die geklärte Butter ist nichts anderes als Butterfett oder Butaris, was leider im Buch nicht benannt wird. Allerdings wird auch hier die Anleitung für die eigene Herstellung geliefert.
Canolaöl ist bei uns unbekannt, und das vielgepriesene Kokosöl zum Braten ist in Deutschland eigentlich nur in Naturkostläden erhältlich. Bei den Bezugsquellen für solche Produkte gibt der Herausgeber seinen eigenen Onlineshop an, was geschmäcklerisch nicht so gut kommt.
Bei allen positiven Ernährungsempfehlungen und den gelungenen und abwechslungsreichen Rezepten ist bei diesem Buch die US-amerikanische Herkunft nicht zu übersehen. Wenn hier ständig von flüssigem Gold für die Knochenbrühen die Rede ist, so scheint mir der Begriff übertrieben gewählt. Die zitierten Experten sind allesamt gute Freunde der Autorin und New-York-Times Bestseller-Autoren, sie selbst bezeichnet sich als "wirklich gut" (S. 2), und das Buch beschreibt sich selbst auf der Umschlagseite als Bestseller.
Wer sich von diesem Eigenlob nicht abschrecken lässt, hält mit der Knochenbrühen-Diät einen fundierten Ratgeber in der Hand, der mit vielen ungewöhnlichen und interessanten Rezepten aufwarten kann und den Mut beweist, gegen den Strom zu schwimmen.
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Ellen Norten - 20. Februar 2018 ID 10534
Weitere Infos siehe auch: https://www.narayana-verlag.de/Die-Knochenbruehen-Diaet-Kellyann-Petrucci/b21273
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